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Geomikrobiologie: Der Lebensraum der ersten Tiere

20.02.2025

Die ersten Tiere lebten auf dem Meeresboden. LMU-Forschende haben rekonstruiert, dass für deren frühe Evolution mikrobielle Stoffwechselprozesse und marine Stoffkreisläufe eine entscheidende Rolle spielten.

Mission am Meeresgrund: Der sogenannte Multicorer sammelt mehrere Sedimentproben gleichzeitig. | © William Orsi

Fast 600 Millionen Jahre sind die frühesten Fossile alt. Sie gehörten der sogenannten Ediacara-Fauna an, einer Ansammlung fossiler Organismen, verhältnismäßig großer Weichtiere, die am Meeresboden lebten. Die ursprünglich von Bakterien und anderen einzelligen Mikroorganismen ohne Zellkern dominierten Ökosysteme auf dem Grund der Ozeane begannen vor etwa 820 bis 635 Millionen Jahren zunehmend komplexer und den rezenten ähnlicher zu werden. Zu dieser Zeit begannen Rot- und Grünalgen in den oberen Wasserschichten auszubreiten, ein Übergang, der von Forschenden als „Rise of Algae“ bezeichnet wird. Sanken diese eukaryotischen Mikroalgen auf den Meeresboden, setzten sie in den Ökosystemen der Tiefsee Energie und Nährstoffe frei.

LMU-Geomikrobiologen konnten nun rekonstruieren, dass diese frühen Protisten – einzellige Eukaryoten - wichtige Bindeglieder in den Nahrungsnetzen gewesen sein könnten, die die Entwicklung der frühesten Tiere beförderten. „Wir haben einen Mechanismus gefunden, der die Verbindungen zwischen der Evolution der Algen, dem Stoffwechsel der Protisten auf dem Meeresgrund und den Ursprüngen der Tiere erklärt“, sagt Professor William Orsi vom Department für Geo- und Umweltwissenschaften der LMU. Es ist dies eine Entwicklung, die über für menschliche Begriffe sehr lange Zeiträume stattfand. „Wir sprechen von hunderten Millionen Jahren zwischen dem Beginn des „Rise of Algae“ und dem ersten tierischen Leben. Das sind unglaublich lange Zeiträume, und Daten aus dieser Phase der Erdgeschichte sind rar“, so Dr. Daniel Mills, federführender Autor der nun in der Fachzeitschrift Science Advances veröffentlichten Studie. Die Ergebnisse der Forschenden sprechen jedoch dafür, dass Protisten marine Nahrungsnetze entscheidend veränderten und dadurch die Evolution der Tiere möglich machten.

Stoffwechselprozesse prägen Ökosysteme

Sedimentkern; die Grünfärbung ist charakteristisch für Sedimente vor Namibias Küste und geht auf hohe Konzentration von eisenhaltigen Mineralien zurück. | © William Orsi

Das Team um Orsi und Mills fand heraus, dass Protisten aus jungen Meeressedimenten nach der Zugabe von Algenbiomasse unter sauerstofffreien (anoxischen) Bedingungen ihr Wachstum und ihre Stoffwechselaktivität erheblich erhöhen, und identifizierten die zugrundeliegenden Stoffwechselmechanismen. Sie basieren auf einer veränderten Genexpression zugunsten von Genen, die unter anderem in die aktive Aufnahme von Partikeln in die Zelle (Phagozytose) und den Energiestoffwechsel unter Bedingungen ohne Sauerstoff involviert sind. „Diese Ergebnisse zeigen, dass Phagozytose auch unter solchen anoxischen Bedingungen tatsächlich effizienter stattfindet, als wir bislang dachten“, sagt Orsi.

Anhand von genetischen Analysen sowie Schätzungen basierend auf Mutationsraten („molekulare Uhr“) und Fossilfunden schließen Wissenschaftler, dass es Gruppen heute noch vorhandener Protisten schon zur Zeit des ‚Rise of Algae’ gegeben hat. In den sauerstoffarmen bis gänzlich anoxischen Sedimenten der prähistorischen Meeresböden ernährten sie sich von der Biomasse der reichlich aus den oberen Wasserschichten herabsinkenden Mikroalgen und trugen dadurch dazu bei, das Ökosystem der Tiefsee zu verändern. Die Protisten förderten den Transport von Kohlenstoff, Nährstoffen und Energie hin zu größeren Organismen auf den höheren Nahrungsebenen – auf denen schließlich die ersten Tiere standen.

Wie die lebten die ersten Tiere?

Noch ist nicht klar, wie sich die frühesten Tiere ernährten. Konnten sich die frühesten Lebewesen der Ediacara-Fauna von Protisten am Meeresboden ernähren. Wenn ja, welche? „Über viele Details können wir bisher nur spekulieren“, sagt Mills. „Wir müssen weiter untersuchen, wie Protisten am Meeresgrund auf verschiedene Arten von Algen und Bakterien ansprechen, sowohl unter anoxischen Bedingungen als auch in Anwesenheit von Sauerstoff. Vermutlich waren auch die ersten Tiere an niedrige Sauerstoffkonzentrationen angepasst.“

Diese Forschung helfe nicht nur dabei, die Ökosysteme an der Schwelle zu tierischem Leben besser zu verstehen, sondern liefere auch wichtige Erkenntnisse zur Meeresökologie heute. „Unsere Ergebnisse zeigen auch, wie Algen, die vonm der Meeresoberfläche herabsinken, das Wachstum von Protisten in den Sedimenten im Benguela-Auftriebsgebiet spielt“, so Mills. Diese Region vor der Küste Südwestafrikas, in der die Forschenden im Zuge der Studie Proben nahmen, ist eines der produktivsten Ökosysteme der Welt und versorgt viele wichtige Fischereien.

Daniel B. Mills, Aurèle Vuillemin et al.: The Rise of Algae promoted eukaryote predation in the Neoproterozoic benthos. Science Advances, 2025

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